Die Gesamtinflation im Euroraum lag im April mit 2,2 % auf dem Niveau des Vormonats und damit leicht über den Konsensprognosen. Die Kerninflation überraschte mit 2,7 % deutlich über den Konsensprognosen von 2,5 % und über dem Märzwert von 2,7 %. Die Stärke der Kerninflation dürfte auf die anhaltende Inflation bei den Dienstleistungen zurückzuführen sein.
Normalerweise wäre eine so große Überraschung nach oben gegenüber den Erwartungen besorgniserregend. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die darauf hindeuten, dass die EZB diese Überraschung wahrscheinlich ignorieren wird. Bei ihrer letzten Sitzung hat die EZB ihren Fokus stärker auf die Konjunktur als Indikator für die künftige Inflation gelegt. Die Konjunkturdaten waren im April eindeutig rückläufig, wobei die Dienstleistungs-PMIs überraschend nach unten tendierten.
Die deutlich niedrigeren Ölpreise und der stärkere Euro haben sich noch nicht in vollem Umfang auf die Inflation ausgewirkt. Und die Deflation bei den Gütern aus China infolge des Handelskriegs wird die Inflation in Zukunft senken. Der Zeitpunkt von Ostern in diesem Jahr bedeutet, dass die spezifischen Inflationszahlen überspitzt sind. Schließlich macht der Lohnindikator der EZB deutlich, dass die Lohninflation bis zum Jahresende auf 1,5 % sinken wird.
Aus all diesen Gründen wird die EZB vorübergehende Inflationsanstiege derzeit ignorieren. Ihre Reaktion ist zukunftsorientiert. Aus denselben Gründen werden auch die Anleihemärkte von diesen Zahlen unbeeindruckt bleiben. Die Konjunkturdaten geben nun den Ton an.
Kommentar von: Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price